"Und morgen sind wir vielleicht Nachbarn!"

"Ich bin so froh, dass ich in dieser Gruppe war. Das habe ich vorher hier im Knast noch nie erlebt. Es hat mir so viel gebracht!", dies das Resümee einiger Inhaftierter nach einer mehrmonatigen Gruppenarbeit unter Leitung und Mitarbeit des Gefängnisseelsorgers Matthias Brockes zum Thema "gewaltfreie Kommunikation". Den Gefangenen als Mensch respektieren, nicht vorverurteilen oder zensieren, das seien wichtige Bausteine im christlichen Beistand, verdeutlicht Matthias Brockes, ehemaliger Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Sehnde. Die letzten acht Jahre vor Eintritt in den Ruhestand sei er im "Knast", so nennt Brockes seinen ehemaligen Arbeitsplatz, tätig gewesen und diese acht Jahre hätten ihn erfüllt und ihn in seinem Wirken bestätigt. 

 

Der in Bruchhausen-Vilsen lebende Seelsorger gab den LandFrauen Hoya bei der ersten Vortragsveranstaltung des neuen Programms 2025/26 einen Einblick in den Alltag einer Haftanstalt. Die JVA Sehnde ist die größte und modernste Anstalt des Landes Niedersachsens und kann über 500 männliche erwachsene Gefangene unterbringen, darunter sowohl Strafgefangene als auch Untersuchungshäftlinge. Das Gelände mit dem 15ha großen Areal wird mit einer 6m hohen Mauer umgeben. Brockes erläutert den Tagesablauf der Inhaftierten, die Behandlungsmaßnahmen und die verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten. Die Christliche Seelsorge in der JVA Sehnde werde durch drei hauptamtliche Seelsorger vertreten. Zwei gehörten der evangelischen, einer der katholischen Kirche an. Darüber hinaus erfolge die Betreuung der muslimischen Gefangenen durch einen muslimischen Seelsorger.
 

Neben den sonntäglichen Gottesdiensten, für die Brockes sogar Band und Chor mit Inhaftierten gründen konnte, steht die direkte Seelsorge auf der Agenda, darüber hinaus Gruppenarbeit und Bibelkurse. Einen besonderen Schwerpunkt legte der ehemalige Seelsorger auf sein Angebot zum Thema "gewaltfreie Kommunikation". Gerade auch in Hinblick auf das Seelsorgegeheimnis habe der Geistliche aus dieser Gruppenarbeit enorm viel positive Resonanz von den Inhaftierten erhalten. "Dieses Feedback hat mich so berührt", ergänzt Matthias Brockes, "dass ich auch im Ruhestand das Gruppenangebot zur gewaltfreien Kommunikation fortsetze." Bevor er die vielen Fragen der LandFrauen beantwortete, schloss er seinen Vortrag mit den Worten "Und nächste Woche bin ich wieder im Knast!"                                                                               © Text u. Foto Ina Homfeld